Anpassung von CI-Sprachprozessoren als Basis der lebenslangen CI-Nachsorge bei Kindern und Erwachsenen

Konferenzbericht

vom 6. Symposium der Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft e.V., Stuttgart 5./6. November 2011 (–> Programm)

Motivation: Ich besuche dieses Symposium (1) wegen der hochaktuellen Fragestellung, (2) wegen des innovativen Konferenzstiles, der eine Aktivierung der Teilnehmerkompetenzen bezweckt, und (3) wegen des Konferenzergebnisses in Form eines Positionspapieres, in dem im Zusammenwirken von hochrangigen Experten und den Betroffenen die Grundlage für eine optimale, zukunftsorientierte, lebenslange Anpassung von CI-Sprachprozessoren definiert werden soll.

Charity Projekt: upgrade für armenische Kinder: Ausserdem erhoffe ich weiterführende Kontakte und Gespräche, um die derzeitige Fokus-Aktion der Prof. Ernst Lehnhardt Stiftung zu unterstützen: in Armenien leben 15 Kinder mit CI und total veralterten Sprachprozessoren. Wir laden Familien ein, nicht mehr gebrauchte Sprachprozessoren ihrer Kinder für das Armenienprojekt zur Verfügung zu stellen. Näheres siehe hier: http://www.armenia-cochlear-implant-fund.net/platform/weblog/

Das Symposium beginnt mit einer musikalischen Begrüssung durch die Harfinistin Esther Köninger, das alle Anwesenden in einen entspannten Zustand versetzt.

 

Die Begrüssung und Einführung hält Franz Hermann, DCIG-Präsident und CI_Träger.

 

 

Der neuartige Konferenzstil: Anschliessend erläutert der Moderator Dr. Winfried Kösters das Konzept und den Ablauf des neuartigen, partizipativen Konferenzstiles.

 

Hier nun die ausführliche Mitschrift über die wichtigsten Argumente und Statements der Vortragenden und aus dem Auditorium

Konferenzbericht

Anpassung von CI-Sprachprozessoren als Basis der lebenslangen CI-Nachsorge

bei Kindern und Erwachsenen

6. Symposium der Deutschen Cochlear Implant Gesellschaft

5./6. November 2011

Ein innovativer Konferenzstil mit Dr. Winfried Kösters als hervorragendem Moderator und 40 Referenten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen und CI Trägern sowie Angehörigen von CI Trägern zeichnete dieses Symposium zu einer hoch aktuellen Thematik aus.

Es gab 5 Gruppen, die die einzelnen Themen abarbeiteten, jede Runde umfasste 4 Blöcke (Podium, Publikum, Bilanz, Publikum), jeder Teilnehmer konnte schriftlich Fragen stellen, die dann von den Publikums-Anwälten präsentiert wurden.

Der Präsident der DCIG, Franz Hermann, erwähnte in seiner Begrüßung Prof. Ernst Lehnhardt als den Begründer der Erfolgsgeschichte des CI und bedauerte, dass er persönlich nicht anwesend sein konnte. Die Anzahl der CI Träger steigt in Deutschland (wie auch weltweit) kontinuierlich an und im Jahre 2020 werden es alleine in Deutschland 60.000 sein. (weltweit sind es heute schon ca. 250.000).

Franz Hermann fragte dann: doch wo sind die Experten, die Jahr für Jahr dafür sorgen, dass die Sprachprozessoren individuell richtig angepasst werden?

Die Notwendigkeit wird unter anderem damit begründet, dass der Mensch in einer inklusiven Gesellschaft noch mehr gefordert ist.

Im Jahre 2020 wird das neonatale Hörscreening eine Selbstverständlichkeit sein, früh implantierte Kinder werden erwachsen, spät ertaubte CI Träger im Rentenalter sein.

Franz Hermann betont, dass dieses Symposium unter dem Motto des französischen Moralisten und

Essayisten Joseph Joubert (1754 – 1824) „Nicht Sieg sollte der Sinn der Diskussion sein, sondern Gewinn“ steht.

Wenn wir in die Zukunft sehen wollen, dann schauen wir normalerweise in die Vergangenheit.

2020 wird es in Deutschland (wie auch in vielen anderen entwickelten Ländern) mehr Menschen im Alter über 65 geben als Menschen unter 20. Der Anstieg der  > 65 Jährigen wird bis zum Jahre 2030

40%, der der < 20 jährigen nur 20% betragen.

Peter Drucker aber sagte „Die beste Art die Zukunft vorherzusagen ist sie aktiv zu gestalten“ und

Walt Disney meinte, es bedarf 4 Faktoren zum Erfolg, wobei jeder Mensch alle 4 – allerdings mehr oder minder ausgeprägt – in sich trägt: den Träumer, den Initiator, den Macher und den Kritiker.

Die 1. Gesprächsrunde widmete sich dem Thema „Welches Erfahrungswissen können die Betroffenen den Fachleuten geben?“

Ein junger CI Träger, 18 Jahre alt, berichtet über unterschiedliche Erfahrungen in der Schule, in einer haben die Klassenkameraden ihn als CI Träger nicht akzeptiert in der anderen ohne Probleme. Dort hatte er einen Betreuungslehrer. Er hält es für wichtig, die Lehrer aufzufordern, Rücksicht zu nehmen. Die Eltern sollen das Kind unterstützen und auch mit den Lehrern sprechen. Ein offensives Vorgehen, das Thema transparent machen ist „angesagt“.

Er berichtet, dass er als bilateraler CI Träger im Schwimmbad total taub und auf Lippenlesen angewiesen ist. Er rät auch, nicht in die „Mitleidsrolle“ zu schlüpfen, sondern sich als fast normal zu fühlen. Der junge CI Träger macht ganz ähnliche Erfahrungen wie der normal hörende Jugendliche!

Eine 26 jährige CI Trägerin stellt fest, dass die meisten Menschen nicht merken, dass sie hörbehindert ist. Nach aussen hin klappt alles sehr gut, aber die Ermüdung setzt doch schneller ein.

Sie rät, nach der Anpassung unbedingt Rehabilitation zu machen. Sie weiss, dass sie üben muss und auch, dass der Fachmann ihr besser helfen kann, wenn sie ihre Höreindrücke gut beschreiben kann.

Der Vizepräsident der DCIG, Andreas Oberländer, weist darauf hin, dass sich das Anpassen nicht auf die 20 minütige Prozedur beschränkt. Die Eltern sollen möglichst aufmerksam mit den Kindern umgehen und unbedingt ein „Hörbuch“ anlegen. Die Aufzeichnungen sind dann bei der nächsten Anpassung mit dem Fachmann zu besprechen. Auch im Kindergarten sollten Beobachtungen aufgeschrieben werden. Die Fachleute müssen auch Eltern motivieren, dies zu tun, wenn sie es nicht von sich aus machen. Die Frau / Mutter und Familie ist auch Logopädin, die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ausserordentlich wichtig!

Sonja Ohligmacher musste vor 30 Jahren noch nach Wien gehen, um ihr CI zu bekommen. Damals war sie 29 Jahre alt, sie ertaubte infolge eines Unfalls im Alter von 13 Jahren und hat erst 16 Jahre später das CI bekommen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Sie bekam auch überhaupt keine Aufklärung. Sie musste sehr viel arbeiten, um Erfolg zu haben, heute ist es anders, die Patienten werden erfreulicher Weise aufgeklärt.

Sie fragt aber auch: Warum haben wir keine Checkliste? Schon vor der ersten Anpassung sollten die Patienten eine Vorlage bekommen, in der beschrieben wird, worauf es ankommt. Der Patient ist dann in einer besseren Situation, Feed-back zu geben.

Psychologisch-soziale Aspekte müssen Berücksichtigt werden. Die meisten Menschen haben zur Zeit der Implantation schon Jahre eines schweren Schicksals hinter sich.

Wolfgang Kutsche ist von Kind an taub und spät implantiert. Bis vor 10 Jahren hörte er auf dem linken Ohr noch normal, erst als dieses auch ertaubte wollte er ein CI. Mittlerweile ist auch das linke Ohr implantiert. Interessanterweise kommt er mit dem CI auf dem rechten Ohr besser zurande als auf dem linken. Selbst Ärzte hatten ihn nicht darüber informiert, dass ihm ein CI helfen würde. Erst bei einer Rehabilitationssitzung hat er erfahren, dass es das CI gibt und hat die Initiative ergriffen. Heute sagt er, dass es besser gewesen wäre, gleich das rechte Ohr zu implantieren.

Er spricht den Wunsch nach standardisierten Audio-Dateien aus, die vor und nach der Anpassung zum Einsatz kommen sollen. Wichtig ist auch, dass in dem Raum, in dem die Anpassung stattfindet, kein Störschall herrscht. Der normal Hörende kann Störschall wegfiltern, das kann der CI Träger nicht.

Dr. Roland Zeh ist seit dem 3. Lebensjahr taub, hat in Freiburg Medizin studiert, 1998 sein erstes CI erhalten und zwischenzeitlich auch sein zweites. Er sagt: „Ich hatte grosse Angst, dass mich meine Patienten nicht verstehen könnten“. Die positive Seite dieser Angst war, dass er einen engen Blickkontakt mit seinen Patienten aufbaute und das hat sich auf die Beziehung zwischen ihm als Arzt und den Patienten positiv ausgewirkt.

Messen können wir nur das objektive Sprachverstehen und das ist in einer künstlichen Situation. Die Realität sieht anders aus. Es geht um die kommunikative Kompetenz! Diese aber können wir noch nicht messen.

Hanna Hermann ist schwerhörig aufgewachsen, war dann 10 Jahre taub und wurde 1984 als eine der ersten Patienten (sie war die 4.) von Prof. Ernst Lehnhardt in Hannover mit einem CI versorgt. Sie hat mindestens 30 Anpassungen erlebt. Sie sagt, dass sie nach 10 Jahren Taubheit bescheiden geworden war. Sie rät jährlich zur Anpassung zu gehen. Die Qualität der Anpassung ist dann gegeben, wenn der CI Träger im Laufe seines CI Hörens ständig weiter Fortschritte machen kann.

Hanna Hermann gibt drei Tipps an die Fachleute:

Genau beobachten, an welcher Stelle der CI Träger steht, wo er Defizite hat.

Der Fachmann muss auch den Mut haben, etwas zu ändern.

Der CI Träger muss die Bereitschaft mitbringen, Änderungen zu akzeptieren, auch wenn es über einen bestimmten Zeitraum schlechter ist.

Es folgen Anregungen aus dem Publikum.

Die Anpasser könnten besser arbeiten, wenn sie den Eltern einen Plan mitgeben und sagen, worauf sie achten sollen. Ein enges Netz an Anpassern wird gefordert.

Es besteht Einigkeit, dass ein CI Träger Fremdsprachen erlernen kann, Französisch scheint schwieriger als Englisch und Latein.

Es gibt noch immer Lehrer, die Angst vor Strahlung haben, wenn sie ein FM System tragen.

Durch die FM Anlage wird das Sprachverstehen um 40% verbessert, das konnte dokumentiert werden. Hören wird zur Nebensächlichkeit bei der Erziehung – Spielen ist die Hauptsache bei Kindern!

Anpassung heisst bei erwachsenen CI Trägern auch, dass sich der CI Träger dem Anpasser anpasst.

Während Veränderungen durchgeführt werden sollte der Anpasser / die Anpasserin weitersprechen, sodass der CI Träger die Unterschiede erkennen kann.

Training ist sowohl im Alltag (alleine) als auch mit Fachleuten sinnvoll. Es wird dann sozusagen „zusammengeführt“.

Zwischen Erwachsenen und Kindern gibt es ganz große Unterschiede. Mit Erwachsenen kann gezielt auf bestimmte Dinge hin gearbeitet werden.

Die größte Hilfe neben der Technik sind die Mit-Studenten.

Hanna Hermann betont: Der Alltag ist für mich genauso bestimmend, es hilft nicht alleine Programme zu lernen.

Andreas Büchner meint, dass eine stärkere Einbindung des Patienten in den Prozess und bessere Information für den Patienten erforderlich sei. Mehr Zeit bei der Anpassung wäre wünschenswert, leider besteht aber häufig Zeitdruck. Wichtige Komponenten sind die Vernetzung aller Beteiligten (interdisziplinär), Datenaustausch, die Einführung realitätsnaher Tests, damit der Patient für den Alltag gerüstet wird, Hörbücher und vorgefertigte Formulare, mit denen bestimmte Themen abgefragt werden.

Klaus Begall betont die Notwendigkeit einer lebenslangen Betreuung der CI Träger.

Mindestens eine Anpassung ist jährlich erforderlich, wobei sich das nicht auf die ersten Jahre bezieht.

Der Versuch, Wohnortnähe und Qualität zu verbinden, ist lohnenswert.

Eine enge interpersonelle Interaktion ist ausschlaggebend.

Eigene Beobachtungen sollen notiert, dokumentiert und kommuniziert werden.

Eine Checkliste vor der Anpassung nach dem Motto „Ich habe einen Plan für die Zeit nach der Anpassung“ ist wünschenswert, ebenso wie standardisierte Audiodateien.

Thomas Topp meint, dass die Fachleute von den Patienten herausgefordert werden und umgekehrt. Auch die Industrie wird herausgefordert, Feed-back gibt der Industrie die Möglichkeit, Weiter-entwicklungen umzusetzen. Die Erwartungshaltung muss definiert werden.

 

Die 2. Gesprächsrunde widmet sich dem Thema „Grundvoraussetzungen der CI-SP-Anpassung“

Franz Hermann, seit 1998 bei der DCIG, seit 1999 im Ruhestand, seit 1985 CI-Träger sagt:

„Der Mensch kommt zur Technik und nicht umgekehrt“.

Roland Laszig stellt die Frage nach der Verantwortlichkeit und stellt klar, dass die Verantwortung in einem medizinischen Prozess in der Hand des Arztes liegt (das betrifft die Voruntersuchungen, die Operation und auch die Nachsorge, da wir es hier mit einer aktiven elektrischen Stimulation des zentralen Nervensystems zu tun haben).

Er gibt einige interessante Zahlen bekannt: Wenn man im Internet eine Literaturrecherche zum Thema CI macht, findet man 8500 Literaturstellen, zum Stichwort Nasennebenhöhlenentzündung  etwa 6.000, Mandelentzündung etwa 4.000. Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Wissensstand.

Es gibt zurzeit ca. 20.000 CI Träger in Deutschland und 6.000 HNO Ärzte, somit hat jeder HNO Arzt nur wenige CI Patienten.

Wie kann die lebenslange Begleitung der Patienten durch die Klinik geleistet werden?

Die Nachhaltigkeit kann nur durch ein Team gewährleistet werden. Der Krankenhausträger muss allerdings auch sehen, dass es auch wirtschaftlich ist, dass hochqualitative Arbeit geleistet wird.

Das können nur große Kliniken erbringen. Kleine operative Zentren sind nicht sinnvoll.

Uwe Baumann, seit 2006 in Frankfurt bezieht sich auf das Medizin Produkte Gesetz. Es geht um die Definition, wer ist der Betreiber, wenn es um aktive Biostimulation geht. Ist es der Operateur, der Anpasser, der Leiter einer klinischen Institution, der Chef einer Klinik?

Wer ist der Anwender? Der CI-Träger?

Die Hersteller müssen die Schulung des Personals sicherstellen. Es muss „ausreichend qualifiziertes Fachpersonal“ bereitgestellt werden. Dies ist in der Verordnung aber nicht festgelegt, und das ist absichtlich, weil die Entwicklung sehr schnell voranschreitet.

Martin Walger berichtet, dass es in Deutschland 60 implantierende Kliniken gibt, das kann nur als „Wildwuchs“ bezeichnet werden und ist bedauerlich.

Anpassung darf nicht mit Programmierung verwechselt werden. Eine Auslagerung ist aber nur mit einer Anbindung an die implantierenden Zentren wünschenswert.

Auch Martin Walger weist auf die demographischen Veränderungen hin und sagt, dass es im Jahre 2020 70% mehr Menschen über 80 Jahre geben wird als heute.

Anke Tropitzsch wiederholte die Wichtigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Marianne Frickel betont, dass die Hörgeräteakustiker im Team mitwirken wollen, sie haben 35 – 40 Jahre Erfahrung mit hörgeschädigten – wir sagen besser hörbeeinträchtigten – Menschen. Die Wohnortnähe ist für die Betroffenen ein wichtiges Thema. Hinter dem Hörnerv ist alles gleich (für hörende und nicht hörende Menschen).

Die Hörgeräteakustiker sehen sich durchaus in der Lage, bei der Anpassung eine Rolle zu spielen. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung ist selbstverständlich erforderlich, diese gibt es aber auch, siehe z.B. die Pädakustiker. Eine Hospitation in Kliniken ist möglich und gewünscht, die Hörgeräteakustiker haben mehr Zeit als die Mitarbeiter in den Kliniken.

Christoph Zimmer meint, wir sind als Firma verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Leute spezialisiert sind, wir haben auch einen „Record“ über Prof. Laszig, dass er befähigt ist, zu operieren.

Die Innovationssprünge sind nicht so groß, dass das Personal nicht in 3 Tagen lernen kann, mit der neuen Software umzugehen. 90% der Besuche in der Klinik sind nicht mit Anpassung verbunden, sondern mit erforderlichem Austausch von Kabeln und anderen Zusatzgeräten. Dafür aber sind viele

Angestellte in der Klinik überqualifiziert.

Cloud (passwortgeschützt) wird die Zukunft sein – ebenso wie Fernanpassung vor allem in Ländern wie Russland.

Joachim Müller, der vor einiger Zeit von Würzburg nach Großhadern gewechselt hat, bezeichnet sich als den „Vater“ / Promoter der bilateralen Versorgung. Er spricht von einer „flat rate“ für die operierende Klinik.

Roland Laszig betont, dass Freiburg als Kompetenzzentrum eine Transparenz der Leistungen bieten muss. Auch Patienten, die in einer anderen Klinik operiert worden sind, werden in Freiburg aufgenommen. Es gibt andere Kliniken, die das ablehnen. Die Krankenkassen bezahlen DRG für die OP und den stationären Aufenthalt. Die Nachsorge wird nach einem anderen Abrechnungssystem finanziert, dazu gibt es eigene Verträge mit den Krankenkassen.

In Frankfurt wird die Anpassung nicht wirklich finanziert, daher werden keine Patienten aus anderen Kliniken aufgenommen. In München gibt es keinen Vertrag, aber laut Joachim Müller steht das Team in Großhadern allen Patienten zur Verfügung.

Die Nachsorge muss wie bei allen chronisch Kranken gesichert sein.

Joachim Müller fragt, wie weit wären die CI-Träger bereit, für eine gute Anpassung auch zu bezahlen.

Die 3. Gesprächsrunde ist dem Thema „Welche Voraussetzungen müssen für eine gute Anpassung gegeben sein?“ gewidmet.

Jürgen Strutz sagt, die Anpassung hat eine medizinische und eine technische Seite (auch eine psychologische Komponente). Er wiederholt, dass die Hörgeräteakustiker nicht qualifiziert sind.

Roland Zeh vertritt die Auffassung, dass wir zwischen der ersten Phase nach der OP und der Langzeitversorgung unterscheiden müssen. Die Leitlinien sind außer Kraft getreten, es hat nun schon 2 Jahre gedauert, es geht derzeit durch die Fachverbände, rechtlich verbindlich sind die Leitlinien allerdings sowieso nicht.

Gottfried Diller betont die Rolle der Eltern. Diese müssen in die Information einbezogen werden.

Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft und das ist eine Herausforderung. Es stellt sich die Frage, wie kann ich durch Beobachtung feststellen, ob Hören stattfindet, welche Möglichkeiten der Hörprüfung gibt es, wie gewinne ich die Akzeptanz der Kinder, wie vollzieht sich die Hörentwicklung, die Sprachentwicklung? Im Jahre 1987 wurde das 1. Kind mit CI versorgt, er ist heute erwachsen.

Klaus Begall weist darauf hin, dass eine adäquate Atmosphäre bei der Anpassung gewährleistet sein muss, ansonsten ist der Erfolg nicht ausreichend. Es darf nicht zu technisch, aber auch nicht zu verspielt ablaufen.

Christian Sittel berichtet, dass an der Klinik in Stuttgart 34 – 40 CI pro Jahr gemacht werden. Die Versorgung der Patienten muss in S-Bahn Entfernungen stattfinden.

Siegrid Meier erwähnt, dass es Hörgeräteakustiker – Meisterstudenten gibt, die im Ausland CI angepasst haben, das aber in Deutschland nicht dürfen.

Anke Lesinski-Schiedat hat 2003 die ärztliche Leitung des Hörzentrums in Hannover übernommen. Sie bestätigt, dass es in Deutschland jedes Jahr 3.000 neue CI Träger, 5 Kliniken implantieren 1.500 Patienten, die weiteren 1.500 Patienten werden von ca. 50 Kliniken implantiert. Das ist nicht vernünftig. Jede implantierende Klinik sollte min. 80 CI von jedem Hersteller pro Jahr machen.

Schwerhörigkeit ist keine Befindlichkeitsstörung, sondern eine Krankheit.

Sie sagt: „Ärztlich ethisch bin ich anders aufgestellt als Hr. Sittel. Wir sind nach wie vor in einer Entwicklungsphase. Nur weil große Kliniken die CI Hersteller gepresst haben sind neun Entwicklungen

Vorangetrieben worden. Das geht nicht mit S-Bahn nahen, kleinen Kliniken. Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung einer Vielzahl von unterschiedlichen Elektroden.

Hörgeräteakustiker gleichen oft Defizite aus (z.B. wenn es um den Austausch eines Kabels geht), die Hersteller haben in der Zwischenzeit auch dazu gelernt, Hörgeräteakustiker haben das Vertrauen der Patienten, aber die Anpassung muss in der Klinik erfolgen“.

Anke Lesinski –Schiedat erwähnt auch, dass Hannover schon 8 Stellen in Deutschland hat, wo Remote Fitting durchgeführt wird, geplant sind 20 Zentren.

In der Diskussion taucht dann die Frage auf, warum keine Vertreter von Krankenkassen zu diesem Symposium eingeladen wurden und „Was passiert, wenn die Eltern nicht über die erforderliche Kompetenz verfügen?“.

Neurologen können die zentralen Hörbahnen testen – das darf nicht vergessen werden.-

Christian Sittel wirft ein, dass wir in Deutschland keine pädiatrische HNO haben, es müssen aber kinderspezifische Strukturen angeboten werden, Klaus Begall meint daraufhin, dass das operative bei Kindern und Erwachsenen sehr ähnlich ist, eine Splittung ist aber aus anderen Gründen sinnvoll.

Ein neuer Aspekt ist, dass bimodal versorgte Patienten (Hörgerät und CI) sowieso zum Hörgeräteakustiker müssen. Die Anpassung beider Geräte soll doch in einer Einrichtung erfolgen.

Eine wichtige Frage wird danach gestellt, ob es ein Konzept oder ein Hilfsangebot für Patienten gibt, die bei der Anpassung keinen Erfolg haben. Roland Zeh antwortet, dass er viele solcher Patienten gesehen hat, vielen aber auch geholfen werden konnte. Man muss bei der Anpassung sehr vorsichtig vorgehen, auch eine psychologische Betreuung ist wichtig. In diesem Umfeld können sich auch diese Patienten, die vorher keinen Erfolg hatten, entwickeln.

Anke Lesinski-Schiedat meint, dass die Krankenkassen in diesem Symposium nicht fehlen, weil die Betroffenen erst noch sagen müssen, was die Krankenkassen bezahlen sollen.

Barbara Bogner sagt als Behindertenbeauftragte, dass die Eltern als Experten zu betrachten seien und stellt die Frage, wie man andere Experten (z.B. Frühförderer) mit einbeziehen kann. Inklusion ist das Zauberwort! Aber an diesen Schulen haben die Lehrer keine Ahnung, wie sie mit Kindern mit CI umgehen sollen.

Walther Seiler, Vater des Jungen, der am Morgen gesprochen hat, Theologe und Leiter des Martha-Marienkrankenhauses in München mahnt: Wir müssen aufpassen, dass die Angehörigen und das Kind bei allen Bemühungen nicht zu kurz kommen.

Sollen in den noch zu verabschiedenden Leitlinien wirklich Mindestzahlen für eine Klinik genannt werden? Sollen das 25 oder 80 pro Jahr sein?

Wolfgang Kutsche, CI Träger und in einer Selbsthilfegruppe meint: „Die großen Kliniken sind überheblich, ich glaube, man kann sich als Patient auch in einer kleinen Klinik wohlfühlen, weil es in diesen auch gut ausgebildete Leute gibt. Es sind wohl auch wirtschaftliche Aspekte im Spiel“.

Jürgen Strutz kontert: „Es sind keine wirtschaftlichen Aspekte, sondern ethische … die Kliniken verdienen am CI kein Geld“.

Die 4. Gesprächsrunde ging um das Thema „Anpasser und CI-Träger in Kooperation für gutes Hören“

Walther Seiler spricht Jürgen Stutz direkt an und betont, dass oft die zwischenmenschliche Beziehung entscheidend ist. Dass wir in Deutschland auf einem qualitativ hohen Niveau arbeiten, ist wohl klar. Wir werden alle älter, wir werden kränker und das Gesundheitssystem wird sich nochmals dramatisch verändern. Das Martha-Marien-Krankenhaus arbeitet mit 3 Hörgeräteakustikern zusammen, zu denen ein enges Vertrauensverhältnis besteht, es gibt eine sehr gute Kooperation mit dem Rehabilitationszentrum in Straubing und der Operateur – aus Großhadern kommend – ist hoch erfahren.

Ute Jung betont, dass für sie als CI Trägerin die Interdisziplinarität außerordentlich wichtig sei, es würde zu viel über Strukturen gesprochen. Es sollte mehr darüber diskutiert werden, welche Informationen die CI Träger und die Anpasser brauchen.

Ute Jung als Schulleiterin sagt, dass wir noch einen sehr großen Nachholbedarf haben. In ihrer Schule sind Kinder in der Frühförderung, im Kindergartenalter, es gibt 200 Kinder an der Schule und 300 werden an allgemeinbildenden Schulen betreut.

Ulrich Hoppe führt aus, dass für die Erstanpassung 3 Tage erforderlich seien, dass dann eine monatliche Anpassung im ersten Jahr nach der Operation erfolgen sollte. Im 2. oder 3. Jahr kann dann der Übergang zur Langzeitnachsorge erfolgen. Die Patienten müssen auch einbestellt werden.

Die meisten CI Träger sind (leider) nicht so motiviert, dass sie ein Wochenende für Anpassung einplanen wollen. Viele merken gar nicht, dass eine Verschlechterung ihres Hörens eingetreten ist, weil etwas nicht mehr funktioniert. Es bedarf Geduld, Zeit, Begeisterung und Motivation!

Horst Böttcher betreibt seit 13 Jahren CI Anpassung in enger Kooperation mit der Klinik in Freiburg.

Hansjörg Schößer, Geschäftsführer von Med-El in Deutschland stellt fest, dass jeder Mensch in seiner individuellen Hör-Welt lebt. Es sei wichtig, dass die Innovationskraft aufrecht erhalten bleibt, das Implantat verbleibt über Jahrzehnte im Körper des CI Trägers, der zusätzliche Nutzen wird aus neuen Audioprozessoren gezogen. Für die Herstellerfirmen sei eine enge Zusammenarbeit mit den Selbsthilfegruppen wichtig. Die Hersteller müssen Verbesserungen bei den Ergebnissen der Patienten nachweisen bevor ein neues Produkt zugelassen wird.

Im Hinblick auf das weitere Wachstum muss eine Nachversorgung durch lokale Netzwerke sichergestellt werden. Qualitätskriterien müssen aufgestellt werden, aber wer kontrolliert? Es gibt eine medizinische Verantwortung! Datenlogger für spezifische akustische Situationen ist eine Vision.

Stefanie Kröger und Anke Lesinski-Schiedat sprechen von der Macht der Patienten.

Annette Leonhardt hat 2010 den Forschungspreis von Heart he World erhalten für „Integration – Lösungen für hörgeschädigte Kinder“, jetzt sind die Studien, die noch einige Jahre laufen werden,  erweitert auf Inklusion.

Das zentrale Thema für Annette Leonhardt sind gehörlose Kinder in gehörlosen Familien, die ein CI erhalten. Die Eltern geben ihre Kinder ein Stück weit weg, wenn sie sich für das CI entscheiden.

Erlernte Kompetenz ist dokumentiert, erlebte Kompetenz nicht, d.h. es gibt keine Tipps, wie mit der Behinderung im Leben umgegangen wird.

Vertrauen, Vertrauen ist das Stichwort!

Es gibt Veränderungen in der Hochschulbildung für angehende Sonderpädagogen, siehe „Prävention – Inklusion – Rehabilitation von Hörgeschädigten“.

Stefanie Kröger schlägt vor, dass die Hersteller Veranstaltungen in Schulen, aber auch für niedergelassene Logopäden (Fortbildung, Qualifizierung) anbieten sollen.

Auch Regelschullehrer haben Bedarf!

Die 5. Gesprächsrunde ist dem Thema „Anpassung von CI-SPs mit Kompetenz und Herz / Technik und Empathie“ gewidmet.

Andreas Oberländer spricht über die Empathie für Kinder, die Fähigkeit, sich in die andere Person hineinzuversetzen. Kinder sind neugierig und wissensdurstig, da kann man sie abholen. Er illustriert an Spielen mit seinem Sohn, z. B. Auto fahren, Nebengeräusche, die Polizei erkennen.

Zum Thema Akzeptanz der Stille. Wir holen unsere Kinder ab, es gibt auch eine Privatsphäre, das Kind nimmt die Ohren ab und drückt seine Zufriedenheit aus.

„Anpasser“ müsste ein Beruf für sich sein.

Gottfried Diller beschreibt die Beziehung als Grundfähigkeit: grundsätzlich hat jeder Mensch die Fähigkeit, Kontakt mit einem anderen aufzunehmen.

In den ersten 6 Monaten reagiert das hörbeeinträchtigte Kind nicht so wie die Eltern das erwarten. Daher verändert sich das intuitive Verhalten der Eltern (die Sprachwahl und die Gerichtetheit), es wird kognitiv reflektiert, wertschützend, es soll weder überfordert noch unterfordert werden. Erfahrung alleine reicht nicht, inhaltliche Kompetenz ist wichtig.

Winfried Kösters sagt zum Abschluss dieses ersten Symposium Tages:

„Herzblut ist ein anderes Wort für Empathie“.

Es gibt in Deutschland 16 Millionen, das sind 19,6% der Bevölkerung mit Migrationshintergrund.

Ein Drittel aller in Deutschland geborenen Kinder von 0 – 5 Jahren hat Migrationshintergrund.

Die mangelnde Fähigkeit, deutsch zu sprechen, wird schneller aufgeholt, wenn die Kinder die Muttersprache sprechen können.

Gabriele Gromke betont nochmals, dass die Hörgeräteakustiker Menschen über viele Jahre begleiten, die hochgradig schwerhörig sind. Das duale Ausbildungssystem garantiert Qualität, in Lübeck gibt es auch einen Schwerpunkt auf Psychologie.

 

Das für den 2. Symposium Tag gesteckte Ziel, nämlich die Erarbeitung eines Positionspapieres „Anpassung von CI-Sprachprozessoren“ wurde aus einem sehr positiven Grund nicht erreicht.

Es gab zu viele Vorschläge, Anregungen und Kommentare aus dem Auditorium, die erst noch verarbeitet werden müssen.

Der Moderator Winfried Kösters befragte dann eine Reihe der Vortragenden, was sie aus den Beiträgen und Diskussionen des Vortages mitgenommen haben und wie sie sich für die Sache weiter persönlich einbringen werden.

Andreas Büchner meint, dass es bereits Satellitenzentren für Remote Care gibt, dass diese jetzt als Pilotprojekt laufen und weitere geplant sind, mit den Krankenkassen bereits Gespräche laufen.

Gabriele Gromke bedankt sich bei Roland Laszig, dass er das Wort „Hörgeräteakustiker“ in den Mund genommen hat und dass sie sicher mitgestalten können.

Thomas Topp spricht von der zweitbesten Chance, einen Baum zu pflanzen, dass diese genutzt wurde und dass wir die Früchte ernten werden. Es besteht ein Bedarf an weiteren Standardisierungen und Anforderungen an die Durchführenden.

Barbara Eßer-Leyding ist auch bereit, aktiv mitzuarbeiten

Hansjörg Schößer kündigt an, dass er die Lerneffekte, die Empathie versuchen werde, in seine Domaine zu bringen. Als Hersteller müsse man vor allem die  „Customer requirements“ (den Anforderungen der Klienten)  bei der Entwicklung eines neuen Produktes berücksichtigen.

Die Anforderungen kommen von den Selbsthilfegruppen und diese könnten eine Weihnachtswunschliste schreiben. Die Fachleute würden sich dann zusammensetzen und einen Zeitplan erstellen. Die Bereitstellung von Information, Kundenservice, Chats und Schulungsnetzwerke

sind zu unterstützen.

Anke Lesinski-Schiedat betont, dass die Hörgeräteakustiker ihre Aufgabe haben und dass das schon im Hörzentrum gelebt wird. In der Schnecke sollte deutlich gemacht werden, dass die Mediziner verantwortlich sind, wenn es um eine Stimulation des Nervensystems geht. Es ist ein ähnliches Konzept wie bei der Frühförderung anzustreben. Der Patient muss wissen, dass er in einem Dreieck HNO – HGA – Anpass-Team im CI Zentrum steht.

Hans Hermann kündigt die Vorlage eines Positionspapieres zeitnah per Ende Januar an, dieses Papier sollte den Charakter einer Leitlinie haben.

„Macht hat wer macht“ und „Nichts ist mächtiger als eine Idee deren Zeit gekommen ist“ sind die Schlagworte, die in die Diskussion geworfen werden.

Vasseur vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen erläutert, dass der MDK nicht entscheidet, sondern die Krankenkassen berät. Es gibt einen Rechtsanspruch auf CI und diesen muss man im Zweifelsfall durchsetzen. Das kann aber 4 Jahre dauern. Man muss die Krankenkasse überzeugen, sollte sich aber auch einen rechtlichen Beistand nehmen, versuchen Druck auszuüben. Es gibt auch die Möglichkeit, sich an einen MDK in einem anderen Bundesland zu wenden.

Ein Anspruch auf einen neuen Sprachprozessor besteht für Erwachsene nach 6 Jahren, für Kinder nach 5 Jahren.

Roland Laszig betont, dass die Spezialisten, die mit den Patienten arbeiten, den Input der Patienten benötigen, um eine Umsetzung der Ideen zu ermöglichen. Die Leitlinien können vielleicht die Grundlage darstellen, die alles was in Stuttgart besprochen worden ist, zusammenfassen. Die Langzeitversorgung wird aber darin noch nicht angesprochen. Dieses Thema muss an die deutsche HNO herangetragen werden (von der DCIG). Das kann dann auch an eine Kommission angebunden werden. „Zukunft gestalten“ war das Thema des Deutschen HNO Kongresses in Freiburg im Juni dieses Jahres und das ist nun wieder das Motto. Wir brauchen eine hierarchische Struktur, wir brauchen nicht nur ein Team, wir brauchen einen Verantwortlichen und das ist der Arzt, der Chef der Klinik. Roland Laszig übernimmt die Aufgabe, das Anliegen voranzutreiben über das Präsidium der Deutschen HNO.

 

Ein gemeinsames geselliges Trinken – die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Symposium“ führte uns am Abend des 1. Tages zusammen und begünstigte angeregte Diskussionen.

 

Wichtiger Termin vorzumerken:

Tagung der EURO CIU in Tallin 13. / 14. April 2012

 

 

Monika Lehnhardt ,  17. November 2011

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